BODYSTYLER: „Art Brut“ ist eine Mischung aus einem Best-Of Album und frischen Songs, die wiederum Teil eines kommenden Albums sein sollen. Welcher Gedanke stand hinter dieser Konzeptidee?
DOMINIC DAUB: Also letztlich steht dahinter der Gedanke unseres Labels Young & Cold. Dieses meinte, es wäre an der Zeit, insbesondere Stücke aus den Alben „Druschba" und „Anomie" auf CD verfügbar zu machen. Beide Alben sind bisher nur auf Vinyl und als Download erschienen, einmal abgesehen von ein paar Compilation-Beiträgen. Und wir haben auch selbst bei unseren Gigs die Erfahrung gemacht, dass die Menschen am Merch-Stand vermehrt nach CDs fragen. Das hat uns dazu bewogen, jetzt diese „Best of" zu machen, wobei ich den Begriff "Best of" überzogen finde.
BODYSTYLER: Welche Lieder auf „Art Brut“ sind neu und was bedeuten diese für dich?
DOMINIC DAUB: Neu sind „Deine Mudda hört die Krupps", „Groß, blond und tuberkulös" und das Sisters-Cover „Marian". Die Stücke erscheinen alle auch auf dem nächsten Album „Das Gespenst der Freiheit" - also auch wieder nur als Vinyl und als Download. Wir testen alle Songs vor der Veröffentlichung live, und die Stücke haben sich im Live-Set ziemlich verfestigt. Daher haben wir sie auf die CD-Compilation genommen.
BODYSTYLER: „Kopfkino“ ist der Titel eines Songs auf „Art Brut“. Wie oft hast du persönlich Kopfkino? Wofür stehen die plastischen Beschreibungen in diesem Stück? So heißt es dort: „Kopfkino, Spätprogramm/ Gleich laufen meine Lieblingsfilme an/ Im Stil von Murnau, Lang und Tarantino“.
DOMINIC DAUB: Mein Kopfkino hält sich tatsächlich in Grenzen. Ich bin ziemlicher Film-Nerd. Murnau, Lang und Tarantino stehen exemplarisch für Regisseure, die ich sehr mag. In letzter Zeit habe ich z. B. auch Luis Bunuel schätzen gelernt. Dessen Film "Das Gespenst der Freiheit" stand auch Pate für den Titel des neuen Albums. Der Text zu „Kopfkino“ befasst sich letztlich damit, mit einer Flasche Rotwein im Kopf über dies und jenes nachzudenken, soweit das in dem Zustand noch möglich ist.
BODYSTYLER: Du thematisiert auch illegale Substanzen in deinen Liedern. In „Tick tick tick“ singst du „Angewandte Pharmakologie/ Ohne einen Treibsatz pack ichs nie.“ Welche engere Aussage steht hinter diesen Versen?
DOMINIC DAUB: Der Text hat keinen realen Bezug, wenigstens keinen zu illegalen Drogen. Das „lyrische Ich" erzählt über Drogenexperimente. Aufhänger war der Satz eines Bekannten, der mit Speed Erfahrungen gesammelt hatte und sagte "24 Stunden hat der Tag, und nochmal 24 hat die Nacht". Um diese Worte herum habe ich den Text aufgebaut.
BODYSTYLER: Dann gibt es noch den Track „Pervitin“. Pervitin ist auch unter dem Namen „Crystal Meth“ bekannt. Es startet so: „Mir ist so, als hätte ich Pervitin genommen“. Des weiteren ist dort folgendes zu vernehmen. „Auf gutem Pervitin/ Wollen wir nach Westen (Osten) ziehen“/ Mit Pervitin/ Auf Pervitin“. Inwieweit ist „Pervitin“ auch ein Antikriegssong? Diese Droge wurde bekanntlich den deutschen Soldaten im Zweiten Weltkrieg verabreicht , um besser kämpfen zu können.
DOMINIC DAUB: Das ist genau das Thema und übrigens ist der Song sehr lange vor „Nazis auf Speed" von den Krupps entstanden. Das Zitat am Anfang stammt aus einem Monolog Hörspiel von Horst Bienek, Sprecher ist Klaus Kinski. Als ich zum ersten Mal vor etlichen Jahren von dem Pervitin Einsatz im Zweiten Weltkrieg gelesen habe, fand ich das extrem krank. Übrigens sind von dem Zeug so viele Soldaten abhängig geworden, dass noch während des Krieges die Rechtslage geändert und die Substanz unter Rezeptpflicht gestellt worden ist. Ob das ein Antikriegssong ist? Keine Ahnung, ich interpretiere die Texte selbst nicht. Aber er befasst sich nun einmal mit einer Facette eines perversen Krieges, der von einem perversen Regime vom Zaun gebrochen wurde.
BODYSTYLER: Inwieweit geht es in „Trümmer“ um eine kritische Auseinandersetzung von Krieg und Frieden? „Und wenn die ganze Welt in Trümmer fällt/ Ist es egal, wir bau'n sie wieder auf, wie jedes Mal“ heißt es dort sehr bemerkenswert.
DOMINIC DAUB: Der Text ist noch vor dem Ukraine-Krieg und lange vor dem Aufflammen des Nahost-Konfliktes entstanden. Er hat also gar keinen direkten Bezug zu diesen Konflikten. Wenn ich mich recht entsinne, waren die Aufhänger eher die Proteste um die Corona-Maßnahmen und der Sturm aufs Capitol nach der letzten US-Präsidenten-Wahl. Das weltweit aufgeheizte Klima hat damals schon gezeigt, wie dünn die „Firnis der Zivilisation" immer noch ist und wie groß die Lust am Zerstören sein kann, ohne zu wissen, was danach wirklich kommt. Am Ende steht die Hoffnung im Raum, dass es selbst nach einem elementaren „Knall" immer wieder weiter geht und aus der Asche immer wieder Neues entsteht.
BODYSTYLER: „Neue Ästhetik“ stellt die Unterschiede zwischen Plattenhaussiedlung und Reihenhausanlagen dar. Welche Kriterien muss für dich eine gute Wohnsituation erfüllen?
DOMINIC DAUB: Oh, der Text hat gar keine tiefere Bedeutung. „Ich mag es grau in grau" - reimt sich halt perfekt auf „Plattenbau". Ich muss heute über den Text grinsen, wir leben nämlich mittlerweile in einem Reihenhaus. Aber ansonsten ist mir Funktionalität wichtig, und ich bin immer noch sehr vom Bauhaus fasziniert. Als wir jetzt in Sandersleben auf dem Familientreffen gespielt haben, mussten wir natürlich noch nach Dessau fahren und uns dort das Bauhaus und die Museen ansehen. Die Radikalität der Ideen fasziniert mich immer noch total.
BODYSTYLER: Wie gehst du bei der Komposition deiner Musikstücke vor?
DOMINIC DAUB: Ganz verschieden. Mal hab ich ein Sample, um das ich herum ein Stück aufbaue, mal eine Bassline, mal einen kaputten Synthie-Sound. Letztlich entstehen die Stücke aber immer noch im eigenen Studio. Wir sind mittlerweile in den Keller der ehemaligen Wersi-Fabrik hier um die Ecke umgezogen. Ich verwende immer noch ausschließlich Hardware Sequenzer, Synthesizer und Sampler, die teilweise weit über 30 Jahre alt sind. Erst wenn die Musik steht, versuche ich darüber einen passenden Text zu legen. Das geht mal einfacher, mal ist es schwieriger.
BODYSTYLER: Welche Bedeutung hat dein Projektname? Wie ist er entstanden?
DOMINIC DAUB: Der QEK Junior war ein Wohnwagen aus DDR-Produktion. Den habe ich vor einiger Zeit selbst besessen, um damit auf Festivals zu fahren. Der war altmodisch und minimal und damit auch der perfekte Namenspate für die Band.
BODYSTYLER: Kannst du einige Worte zum Nachtmaschinenfestival loswerden? Wie hast du dieses Event und den Auftritt mit deinem Live Support erlebt?
DOMINIC DAUB: Oh, das war super, und von der Resonanz waren wir echt überwältigt. Das Publikum war sehr enthusiastisch und die Gespräche nach der Show mit alten und neuen Bekannten waren toll. Die anderen Bands waren durch die Bank cool und hilfsbereit und wir haben uns alle bei technischen Dingen etc. ausgeholfen. Ich fand es einmal mehr krass, mit einer Band wie den Armageddon Dildos auf der Bühne zu stehen. Die habe ich schon als knapp 20-jähriger auf einem Zillo-Festival - ich meine, es war in Rüsselsheim - live gesehen. Das sind die Kicks, für die wir das Ganze machen.
BODYSTYLER: Willst du zum Schluss noch etwas sagen?
DOMINIC DAUB: Klar: Kauft unsere Alben, die sind super. Und um Joseph Beuys zu zitieren: „Wer nicht denken will, fliegt raus“ :)