Haujobb

Außerhalb der Regeln

29.09.2024 - Das Electro-Duo Haujobb hat sich lange für den neuesten Langspieler "Machine in the ghost" Zeit gelassen. Für Fans und Klangfetischisten hat sich das Warten allerdings gelohnt. Komplexe und detailreiche Sounds gibt es in den neuen Tracks reichlich zu entdecken und die Band hebt sich einmal mehr von der Masse ab. Daniel Myer und Dejan Samardzic stellten sich per Mail meinen neugierigen Fragen. Von: Torsten Pape

Image Haujobb - wollen nicht "Influencer" genannt werden. (Foto: Chris Ruiz)

BODYSTYLER: In gewisser Weise schließt sich mit dem Labelwechsel zu Dependent ein Kreis, da Ihr Anfang der 90er bei Off Beat gestartet seid, dessen Gründer Stefan Herwig später Dependent ins Leben rief. Wie kam es zum erneuten Kontakt (bzw. ist dieser überhaupt abgerissen?) und wie betrachtet Ihr zurückschauend den dazwischen liegenden Weg?

DANIEL MYER: Der Kontakt war immer da. Da ich seit 18 Jahren auch bei Covenant bin und die auch mit Stefan arbeiten, wurde der Kontakt dadurch wieder intensiver. Wir hatten in der Zwischenzeit viel ausprobiert. Auch mit eigenem Label und so weiter, allerdings sind wir beide keine guten Geschäftsmänner und Stefan kam immer mal wieder mit Angeboten um die Ecke, zumal wir auch die merkwürdige Situation mit unserem ersten Album haben. Wir haben ja die Rechte am ersten Album bei unserer Trennung von Björn an ihn abgegeben.

BODYSTYLER: Zu Beginn Eurer musikalischen Reise habt Ihr Euch von den Größen der (kanadischen) Szene inspirieren lassen. Über die Jahre beeinflusst Ihr nun selbst jüngere Generationen und bekommt diesbezüglich bestimmt viel Feedback. Wie fühlt sich das an bzw. wie geht Ihr mit diesem Influencer-Status um?

DANIEL MYER: Gar nicht. Und ich hoffe nicht, dass uns irgendjemand als Influencer bezeichnet. Ich kenne einige Musiker, auch aus der Techno Ecke, die uns und unsere Veröffentlichungen verfolgen und auch mögen. Viele sind/waren auch dankbar für die Sample CDs.

DEJAN SMARDZIC: Ich bin mir gar nicht sicher, ob das wirklich so der Fall ist. Vielleicht sind manche Musiker da draußen erst mal beeindruckt, wenn sie etwas von uns hören, allerdings ist mir keine Band bekannt, die irgendwie nach Haujobb klingt.
 In meinen Ohren klingen heutzutage viele Sachen so, als wenn die verfügbare Technologie bestimmt, wie etwas produziert wird. Das ist ein bisschen schade. 
Ich persönlich reduziere gerne ganz bewusst die technischen Möglichkeiten. Bei Daniel ist das durchaus anders und auch kein Kritikpunkt. Mir hilft es jedenfalls, den Kern des Songs zu erfassen, ohne schmückende, kaschierende Elemente.


BODYSTYLER: Über die Jahre ist eine typische Haujobb-Signatur in euren Stücken erkennbar, aber man kann Euren Stil doch nicht eindeutig kategorisieren. Dafür unterscheiden sich Eure Schaffensphasen/Alben doch zu sehr voneinander. Wie würdet Ihr selbst den Kern, der die Band ausmacht, beschreiben wollen? Ist es vielleicht eher die Suche nach neuen Klangwelten, die Vermeidung des Stillstandes oder doch ein gewisser Sound?

DANIEL MYER: Im Grunde ist es ganz viel Antihaltung dabei. Es gibt ja Bands, die streben danach, wie ihr Idol zu klingen oder unbedingt nen Hit zu schreiben, also möglichst Musik zu veröffentlichen, die vielen Leuten gefällt. Nun sind wir allerdings auch zwei Typen, denen gar nicht so viel Musik gefällt, zumindest nichts, was mit der Szene zu tun hat. Es gibt ein paar großartige Bands, aber die kann man auch an einer Hand abzählen.

DEJAN SMARDZIC: Ja, Antihaltung äußert sich bei mir so: Wenn ich ein Element in einem Song höre, das irgendwie gewöhnlich ist, also instinktiv einer Mainstream-Logik entstammt, das ohne groß nachzudenken aus dem Ärmel geschüttelt wird "weil, so macht man das nun mal", dann langweilt mich das.
 Wenn jemand sagt, er kann den Stil einer Band oder eines Musikprojekts nicht richtig festnageln und benennen, dann will ich das hören.

BODYSTYLER: Zwischen dem letzten Album "Blendwerk" und dem neuen Langspieler liegen neun Jahre und ein Live-Album. Wolltet Ihr Euch für Euer zehntes Werk besonders viel Zeit lassen oder gab es andere Gründe für den ungewöhnlich großen Abstand?

DANIEL MYER: Prokrastination, Pandemie, das Alter, die anderen Jobs… viele Gründe, die dazu geführt haben, dass wir so lange brauchten.



DEJAN SMARDZIC: Habe mir geschworen, dass diese Zeitspannen ein Ende haben werden. Ich lege mich fest: nächstes Album in 2026.

BODYSTYLER: Eine kurze Recherche zu Eurem Albumtitel hat ergeben, dass es anscheinend nicht viel mehr als eine "Star Wars Rebels" Folge, ein Buch und ein weiteres Musikalbum gibt, die diesen Namen tragen. War etwas davon Eure Inspiration oder habt Ihr Euch der Umkehr des eher geläufigen Begriffes "Ghost in the machine" anders genähert?

DANIEL MYER: Dazu kann Dejan etwas sagen. 



DEJAN SMARDZIC: Es war die Umkehr davon, genau. Schoss einfach durch den Kopf. Danach hatten wir tatsächlich gegoogelt. Heraus kam zu dem Zeitpunkt aber nur die Star Wars Folge.

BODYSTYLER: Im Vorfeld der VÖ wird betont, dass Field-Recordings dieses Mal eine besondere Rolle gespielt haben und das hört man auch deutlich heraus. Welchen Stellenwert hatten sie bis dato und warum ist dieser jetzt höher angesiedelt?



DEJAN SMARDZIC: Es ging bei der Idee darum, einen organischeren Sound zu bekommen. Wie vorhin gesagt, vieles an elektronischer Musik da draußen scheint mir davon bestimmt zu sein, was technisch möglich ist. Das wirkt oft völlig steril.

BODYSTYLER: Wie darf man sich diese Aufnahmen im "freien Feld" in Eurem Fall vorstellen? Entstehen diese spontan und eher zufällig oder nehmt Ihr Euch extra Zeit dafür und plant eventuell sogar Aufnahme-Sessions? Gibt es besondere Locations, die Ihr hierfür aufsucht?



DEJAN SMARDZIC: Das ist ein kleines Missverständnis. Es ist gemeint, dass man einfach eigene Sounds sampelt. Rasierapparat, Dunstabzugshaube, Schlüsselbund, Glas, Ofenrost ... und diese dann zu Percussion oder Melodieinstrumenten macht. Oder auch einfach einen vorhandenen Hardwaresynth absampelt, z.B. als eine Art Noise Scape indem man einfach daran schraubt und spielt, dann am Ende ein interessantes Fragment heraus nimmt und es verwendet.

BODYSTYLER: Haujobb ist eine Band, die sich sehr über ihren Sound definiert. Ihr steckt jedoch ebenfalls sehr viel Arbeit in Eure Texte, spielt mit Wortbedeutungen und wollt auch Botschaften vermitteln. Wie würdet Ihr selbst das Verhältnis zwischen Text und Musik beschreiben?



DEJAN SMARDZIC: Mit Text tun wir uns traditionell schwer. Ich persönlich mag es in den letzten Jahren eher einfach und "simplifiziert". Komplett eindeutige Messages sind sterbenslangweilig.

DANIEL MYER: Oder aber so eindeutig, dass es wehtut (zwinkert)

BODYSTYLER: Zu Emese bzw. Ihrer Band Black Nail Cabaret scheint Ihr eine besondere Verbindung zu haben. Ihr unterstützt Euch gegenseitig auf musikalischer Ebene und BNC haben mehrere Alben auf Eurem Label Basic Unit Production veröffentlicht. Wie seid Ihr damals in Kontakt gekommen und wie hat sich Euer Verhältnis über die Jahre entwickelt? Was schätzt Ihr besonders aneinander?

DANIEL MYER: Ich habe Emke vor vielen Jahren als Vorband für Covenant in Budapest gesehen und seitdem arbeite ich mit ihr. Sie ist einfach eine Ausnahmesängerin und noch dazu auf der Bühne eine absolute Rampensau. Sie hat bei meinem Architect Album „Mine“ sehr viele Tracks mit ihrer Stimme veredelt.



DEJAN SMARDZIC: Wahnsinnsstimme!

BODYSTYLER: Ihr habt mit "In the headlights", "Opposition" und "Mass" drei Vorab-Singles ausgewählt, obwohl das Album meines Erachtens gar keine typischen Single-Kandidaten enthält. Allerdings habt Ihr ihnen spannende, teils tanzbare Remixe zur Seite gestellt. Wie ist die Auswahl auf die Songs und die für die Bearbeitungen verantwortlichen Bands Actors, Qual, und Absolute Body Control gefallen?

DANIEL MYER: Das ist dann wohl Geschmackssache. Hör dir die neue The Cure Single an. Ist bestimmt auch kein Single-Kandidat für dich. Die Szene funktioniert ja nach bestimmten Regeln, die auch 99% der Bands befolgen. Wir gehören aber nicht zu den 99%

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Jeder der Remixer ist ein geschätzter Kollege und die Bands gehören zu den wenigen Acts, die wir in der Szene geil finden. Die Bands haben sich die Tracks ausgesucht. Einige der Bands (ABC, ASG) schuldeten mir einen Remix und andere (Actors, Thorofon) habe ich ausgewählt, da ich dachte, sie wären eine gute Wahl, um die Songs zu interpretieren. Wiederum andere (Chrome Corps, Qual) habe ich gefragt, weil ich gut mit ihnen befreundet bin und ihre Musik großartig finde. Im Großen und Ganzen dachte ich aber, es sollten nicht die üblichen Verdächtigen auftauchen und es sollte relativ breit aufgestellt sein, mit ein wenig Post Punk, Oldschool EBM und Noise.

DEJAN SMARDZIC: Eine Single muss ja nicht tanzbar sein. Heutzutage frage ich mich manchmal, wie die Leute z.B. zu Tears for Fears "Shout" damals getanzt haben. Oder "Warm Leatherette" von The Normal. Das müssen echt verrückte Menschen gewesen sein.

BODYSTYLER: Da diese drei Singles Teil der zweiten CD des Artbooks sind, liegt die Frage nahe, ob die restlichen dort vertretenen Tracks exklusiv bleiben oder es weitere Singles geben wird?

DANIEL MYER: Weitere Singles sind erst mal nicht geplant. Wir warten noch immer auf einen Remix und ich kann mir vorstellen, auch noch die ein oder andere Version eines Albumtracks zu machen.

BODYSTYLER: Welchen Stellenwert hat das Artwork mit seinen sehr ästhetischen Bildern - überwiegend (Nah-)Aufnahmen von Maschinen/Technik, aber auch Himmelskörpern - die teils aus Buchstabenreihen bestehen? Wie seid Ihr in Kontakt Vlad McNeally gekommen und was waren Eure Vorgaben?

DANIEL MYER: Ich kenne Vlad schon sehr lange, hatte ihn aber nie als Grafiker auf dem Schirm. Ein Freund hatte dann erwähnt, dass Vlad ziemlich viel im Merch Bereich designed und da habe ich ihn mal gefragt, ob er für Haujobb etwas entwerfen könnte. Dabei sind schnell coole Sachen entstanden und dann fiel die Wahl beim Design fürs Album ziemlich schnell auf ihn, obwohl das Label jemanden anderen im Auge hatte.
So ein Artwork ist natürlich sehr wichtig. Wir haben da ja auch keine klare Linie, sondern mit jedem Release im Grunde eine neue Ästhetik auch was das Design betrifft.

BODYSTYLER: Wird es in naher Zukunft wieder die Möglichkeit geben, Euch live auf der Bühne zu erleben?

DANIEL MYER: Bestimmt. Der erste Gig mit neuem Material wird beim Fourscher Festival in Erfurt gegeben.

BODYSTYLER: Darf ich mich nach Euren zahlreichen Nebenprojekten erkundigen. Gibt es hier Neuigkeiten zu verkünden?

DANIEL MYER: Dejan arbeitet endlich wieder an DSX und auch bei mir gibt es bald endlich wieder fertiges Material von Liebknecht, Architect und Rendered. Auch DSTR wird endlich fertig werden.

BODYSTYLER: Vielen Dank, dass Ihr Euch für meine Fragen Zeit genommen habt. Macht weiter so tolle Musik und ich wünsche Euch viel Erfolg mit dem neuen Album.

HAUJOBB: Sehr gern und liebe Grüße aus Leipzig.