BODYSTYLER: Seit der Reaktivierung der Band 2018/2019 bringt Ihr in steter Regelmäßigkeit Singles, Videos und Alben an den Start. Könnt Ihr diese neu gewonnene Kreativität und andauernde Schaffenskraft an bestimmten Dingen festmachen?
BEN RICHTER: Eigentlich nicht. Ich geh da immer nach Gefühl und da kreativer Output bzw. der gesamte kreative Prozess enorm wichtig für mich ist und wie ein Art Therapie wirkt, bin ich froh, dass ich doch immer wieder Ideen habe und meine Jungs stets motiviert sind da mitzumachen.
Allerdings ist es auch so, dass die Chemie in der Band einfach stimmt. Auch wenn wir leider immer wieder Probleme mit Schlagzeugern haben, was einfach mega nervig und echt komisch ist, so ist der Zusammenhalt wirklich klasse. So können wir uns so auf die Musik und das Schaffen konzentrieren und müssen nicht die Hälfte der Energie an Streitigkeiten und einfach störende Nebengeräusche verschwenden.
BODYSTYLER: In diesem Jahr habt ihr bereits eine digitale Best of Kopplung zu Eurem 25-jährigem Jubiläum veröffentlicht. Wie habt Ihr die Auswahl der Tracks getroffen und was waren die Kriterien für deren Reihenfolge, die ja nicht chronologisch ist?
BEN RICHTER: Letztendlich hat jeder von uns fünf bis sechs Songs von jedem Album rausgesucht und dann haben wir die meist gewählten genommen. Es gab da also keinen Plan, ganz spezielle Lieder auszusuchen… Die Reihenfolge hat sich einfach irgendwie ergeben. Klar war, dass sie eben nicht chronologisch sein sollte. Der Hörer wird zwar in die Vergangenheit geschickt, soll aber einen nicht von der Abfolge der Veröffentlichungen abhängigen Gesamteindruck über unser bisheriges Schaffen bekommen.
BODYSTYLER: Nun steht Euer siebentes Album kurz vor seiner Veröffentlichung. Rein optisch knüpft Ihr bereits mit der Farbauswahl an Euer Debüt an und auch inhaltlich/musikalisch kehrt Ihr zu Euren Wurzeln zurück. Wie kam es zu dieser offensichtlich sehr bewussten Besinnung auf die "Ersten Riten", aber auch den "Kreislauf des Lebens"?
BEN RICHTER: Magisch-schamanische, heidnisch-spirituelle Themen begleiten ja seit Anbeginn von Thanateros unser Schaffen, und bekommen mal mehr und mal weniger Raum auf unseren Alben.
Da ich in erster Linie für die Inhalte der Texte verantwortlich bin, kommt es immer darauf an, inwieweit diese Thematiken bei mir aktuell sind, wie stark sie mich gerade prägen. Bei den letzten beiden Alben waren andere Themen vordergründiger und hatten mehr Gewicht, obwohl sich auf „On Fragile Wings“ schon wieder einige Songs inhaltlich mit dem Schamanismus beschäftigten.
Zu der Zeit, als ich anfing, die Songs für „Tranceforming“ zu schreiben, setzte ich mich gerade wieder sehr stark mit der Magie, mit Meditation und den Kräften der Natur auseinander – und so entwickelte sich das immer weiter, bis dann eben das neue Album geschrieben war. Eine bewusste Rückkehr zum Debüt-Album „The First Rite“ gab es also nicht.
BODYSTYLER: Als erste Vorboten zum Album wurden "I am all" und "The horned one" auserkoren, die sich mit der Muttergöttin und deren Gegenspieler beschäftigen. Wie sind diese Songs entstanden und warum war Euch diese gesondert hervorgehobene Dualität anscheinend besonders wichtig?
BEN RICHTER: Wie schon erwähnt waren (und sind) heidnische, magisch-schamanische Themen sehr präsent beim Schreiben der Songs. Und da bot es sich natürlich an, auch Songs zu den alten Göttern zu verfassen.
Die Mutter-Göttin ist ein beständiges Thema bei uns zu Hause – als freie Wicca sind wir bemüht, stets in Kontakt mit den Kräften und Rhythmen der Natur zu sein. Der Song „I Am All“ ist da fast eine Selbstverständlichkeit.
„The Horned One“ entstand, als ich mich gerade explizit mit dem alten „Waldgott“, mit Kernunnos, Wotan usw. auseinandersetzte, viele Abhandlungen über ihn las und mich auf die entsprechende Energie einließ. So habe ich beim Schreiben der beiden Lieder nicht unbedingt daran gedacht, eine Dualität hervorzuheben. Wie vieles, was ich mache, entstanden die Songs aus dem Bauch heraus.
Dass gerade diese beiden Songs als erste Singles gewählt wurden, liegt in erster Linie daran, dass beide Songs unserer Meinung nach einen sehr guten Eindruck geben, was den Hörer mit „Tranceforming“ erwartet. Zudem sind die Songs eingängig, vom Aufbau her gut zu fassen und es können – hoffentlich – viele Menschen etwas mit ihnen anfangen.
Dass dann bei genau diesen beiden Singles zum einen die Mutter-Göttin und zum anderen ihr Counterpart, der Gehörnte thematisiert werden, ist also eher Zufall, passt aber dann natürlich doch irgendwie. Manchmal ergeben sich einfach Zusammenhänge und Verschränkungen, ohne diese bewusst herbeizuführen. Es heißt nicht umsonst: Die Energie folgt der Aufmerksamkeit!
BODYSTYLER: Als dritte Single zeigt Ihr mit "I hold you" Eure ruhige Seite und glänzt sogar mit dem Einsatz einer Harfe (Ich vermute mal, dass diese Verbindung durch Christof zustande kam, oder?). Gerade in Zeiten, in denen allerorten Krieg herrscht, Aggressionen und Hass regieren, finde ich es schön, wenn Ihr ein Zeichen setzt und die Wichtigkeit zwischenmenschlicher Bindungen thematisiert. Beschreibe doch bitte den Hintergrund zu diesem Song.
BEN RICHTER: Beim Schreiben des Songs habe ich von Anfang an eine Harfe im Ohr gehabt. Glücklicherweise spielt Lena – die bessere Hälfte unsere Christofs – Harfe und hat den Song eingespielt. Aber würde sie nicht Harfe spielen, hätten wir versucht, jemand anderes aufzutreiben. Glücklicherweise mussten wir dies ja nicht tun…
In dem Song geht es um die Familie, um unsere Liebsten. In der ersten Strophe um den Nachwuchs, der so schnell groß wird, dass man es oft nicht glauben kann. In Strophe zwei um den Partner und die tiefe Verbundenheit zu ihm und in der letzten Strophe um die Eltern, die (hoffentlich) immer für einen da sind oder waren.
Für mich ist dies ein ganz persönlicher Song, und zwar aus folgendem Grund – mein Vater hat sich stets für meine Musik interessiert und wenn ich neue Songs geschrieben habe, habe ich ihm sehr oft die Demoaufnahmen vorgespielt. Als ich den Song aufgenommen hatte, wollte ich ihn ihm vorspielen, doch kurz bevor es dazu kam, verstarb er leider. Sein Ableben war durchaus absehbar, aber man ist dann doch nicht unbedingt darauf vorbereitet…
Ich habe daraufhin den Text der dritten Strophe abgeändert und aus dem „soon you will be gone“ wurde ein „now you’re already gone“. Besonders emotional war dann, als das Stück bei der Beisetzung meines Dads abgespielt wurde.
BODYSTYLER: Auf der anderen Seite habt Ihr mit "Raise your voices" einen Song am Start, der sich offensichtlich mit (historischen) Kriegshandlungen/Schlachten beschäftigt. Wie habt Ihr Euch diesem Thema genähert und inwieweit denkt Ihr, dass man sich in bestimmten Situationen auch seiner Haut erwehren muss? Welche Mittel sind für Euch legitim, welche befinden sich außerhalb Eurer Vorstellungskraft?
BEN RICHTER: Ich schaue zwar nicht viel Fernsehen, aber wenn (außer bestimmte Sport-Sendungen), dann gerne historische Serien, wie „Vikings“, "Barbaren“ oder „The last Kingdom“. Und da kam mir dann irgendwie die Idee, einen entsprechenden Song zu schreiben.
Ich denke, wir alle haben das Recht, uns zu verteidigen – egal, ob ich körperlich angegriffen werde, gemobbt werde oder mir anderweitig psychisch und seelisch geschadet wird. Ich selbst bin da zwar eher sehr zurückhaltend und versuche stets irgendwelche Konfrontationen zu vermeiden, aber irgendwann kann durchaus ein Punkt kommen, an dem ich mich wehre. Auf welche Art und Weise, das hängt natürlich von der Situation ab. Und aus einer Verteidigung sollte, wenn möglich, kein aktiver Angriff werden.
BODYSTYLER: Mit "Feel the fire" habt Ihr ein kraftvolles Update von "Goddess" (vom Album "Circle of life") eingespielt. Wie kam es zu dieser Idee und den dezenten Veränderungen des Textes?
BEN RICHTER: Als sich immer mehr herausgestellt hat, welche Themen die Grundlage von „Tranceforming“ sein werden, kam mir die Idee, „Goddess“ neu aufzunehmen. Allerdings wollte ich den Song nicht einfach nur covern, sondern ein neues Stück daraus machen, das auch zum Rest des Albums passt. Was die leichte Änderung des Textes angeht, so hat sich das für mich einfach richtig und passend angefühlt.
BODYSTYLER: In "Everything decays" beschäftigt Ihr Euch mit der Vergänglichkeit der Dinge / des Seins und scheint daraus eine unbändige Kraft zu schöpfen. Inwiefern schaffst Du es, Ben, Dich in Deinem Leben, von irdischen Eitelkeiten / Werten frei zu machen und im großen Lauf des Lebens aufzugehen?
BEN RICHTER: Der Versuch, im Hier und Jetzt zu sein und das Glücklichsein nicht in eine ferne Zukunft – oder die Vergangenheit – zu legen, gehört ja zu den großen Weisheiten eigentlich aller spiritueller Wege. Und so beschäftige ich mich damit schon länger. Dazu gehört dann auch, sich von allem Weltlichen zu befreien oder – was für uns „normale“ Menschen wesentlich lebensnaher ist – sich zumindest deren Vergänglichkeit immer wieder bewusst zu machen.
Nachdem ich dreieinhalb Jahre mit Depressionen zu kämpfen hatte, half mir die Besinnung darauf, mich aus diesem schwarzen Loch heraus zu kämpfen. Geholfen dabei hat mir unter anderem auch ein Buch über Buddha. Also kein Buch über den Buddhismus, sondern eins über seine ursprünglichen, originären Ideen und Lehren.
Aber um dann wirklich im großen Lauf des Lebens aufzugehen, wie du meinst, bedarf es dann doch noch einiger Jahre der Kontemplation, Meditation und Bewusstwerdung. Aber wie heißt es so schön: Der Weg ist das Ziel…
BODYSTYLER: "Banshees of Kealkil" scheint die nächste Single zu werden und es gab dazu einen Videodreh in Irland. Was kannst Du zu diesem Erlebnis und Euren Gastmusikerinnen Johanna Krins und Enya Richter (besteht da evtl. eine Verwandtschaft?) berichten?
BEN RICHTER: Jo, stimmt. Geplant ist, die Single mit Video Ende November zu veröffentlichen.
Dass wir einige der Aufnahmen in Irland machen konnten, verdanken wir dem Umstand, dass ich mit meiner Familie im August in Irland in Urlaub war. Da wir wieder in der Nähe des Steinkreises waren, den wir schon vor drei Jahren besucht hatten und der mich zu dem Song inspiriert hat, nahmen wir die Gelegenheit wahr und machten Aufnahmen an der entsprechenden Stätte. Da wir mit Drohne gefilmt haben, sind wirklich beeindruckende Aufnahmen entstanden…
Dass Johanna Krins wieder mit an Bord ist, freut uns riesig. Schon auf „On Fragile Wings“ war sie bei zwei Songs mit dabei. Und diesmal war es einfach passend, dass ihr Gesang alleine steht und sie nicht nur die zweite Stimme singt. Als wir sie fragten, ob sie Lust hat, war sie sofort mit dabei.
Enya ist meine Tochter – sie spielt seit vielen Jahren Geige und so ergab es sich, dass sie bei „The Banshees Of Kealkil“ Christof unterstützt hat.
BODYSTYLER: In "Rúnir" singst Du teilweise auf Isländisch. War das ein einmaliger Ausflug oder bestehen profunde Kenntnisse der Sprache?
BEN RICHTER: Das ist erst mal als einmalige Sache geplant…
„Rúnir“ setzt sich, wie man sich leicht denken kann, mit den Runen auseinander. Da die Runen mit dem nördlichen Europa in Verbindung stehen – auch die Quellen, aus denen wir unser Wissen über sie haben, stammen aus nördlichen Ländern, unter anderem Island – kam mir der Gedanke den Refrain auf Isländisch zu singen. Ich hatte aber bis dahin überhaupt keinen blassen Schimmer vom Isländischen. Also habe ich erst mal einen Online-Translator zu Hilfe genommen und festgestellt, dass es von der Aussprache her durchaus klappen könnte. Da ich mich aber nicht auf einen Online-Translator verlassen wollte, habe ich über Johanna Krins, Kontakt zu einem Isländer aufgenommen. Sigurdur hat mich dann so genial gecoacht, dass ich den Refrain wirklich auf Isländisch gesungen habe. Besonders freut mich, dass das Feedback von Sigurdur super war und er meint, dass das wirklich gut ausgesprochen ist.
BODYSTYLER: Apropos, gab es eigentlich Fortsetzungen des "Sprachunterrichts" mit Eurem Produzenten Simon Rippin oder war er dieses Mal mit Deiner Aussprache zufrieden? (zwinkert)
BEN RICHTER: Ja, den gab es schon. Allerdings war diesmal zum Glück kein Wort dabei, an dem ich fast verzweifelt wäre… Aber Simon hat mich durchaus immer wieder bei der Aussprache unterstützt und mich manche Stellen des Öfteren üben lassen. Wir hatten von Anfang an besprochen, dass sich das Album einfach „richtig“ anhören soll und wir dementsprechend die nötige Zeit dafür investieren.
BODYSTYLER: Aktuell sind nur zwei einzelne Thanateros-Gigs angekündigt. Kann auch der Rest der Republik/Welt alsbald Eure Live-Qualitäten bewundern?
BEN RICHTER: Das würde uns sehr freuen. An uns liegt es sicher nicht, dass für nächstes Jahr bis jetzt kaum Konzerte feststehen – wir würden sehr gerne viele, viele Konzerte geben. Allerdings ist die momentane Situation nach wie vor katastrophal. Und meist spielen immer die gleichen Bands auf Festivals und es scheint sich kaum ein Veranstalter zu trauen, da mal was Neues zu machen.
Es ist generell sehr frustrierend: Wir haben über 60 Bewerbungen an Festivals verschickt und von gerade mal vier bis fünf überhaupt eine Rückmeldung bekommen.
Auf Grund des Feedbacks, das wir nach Auftritten sowohl von den Veranstaltern als auch dem Publikum bekommen, kann ich guten Gewissens sagen, dass alle, die uns nicht spielen lassen wollen, was Großes verpassen…
BODYSTYLER: Letzte Worte?
BEN RICHTER: Vielen Dank an alle, die das Interview bis hierhin gelesen haben. Unterstützt weiterhin den Underground, die kleineren Bands und Magazine, die für Abwechslung sorgen und die kulturelle Vielfalt am Leben erhalten – Rock On!