BODYSTYLER: Aktuell laufen die Deine Lakaien Planetarium-Konzerte und das gab es in dieser Form, glaube ich, noch nicht. Wie ist diese Idee entstanden?
ALEXANDER VELJANOV: Sicherlich gibt es ähnliche Abende mit Musik aus der Konserve oder kleineren Live-Auftritten. Wir wurden vom Leiter der Berliner Planetarien angesprochen. Er ist bereits seit seiner Teenager-Zeit Fan der Band und hat alle Platten von uns. Er hat in Kiel studiert und dort wohl schon 2001 einen Abend mit unserer Musik veranstaltet. Nun schlug er vor, uns live in diesem besonderen Rahmen zu präsentieren. Wir fragten ihn, wie er sich das vorstellt und er meinte, dass es in den Planetarien natürlich keine Bühne gibt, auf die eine Band passt, aber eine Akustik-Performance wäre möglich. Letztendlich spielten wir an drei Abenden, die schnell ausverkauft waren. Da er mit allen Planetarien in Europa, aber auch weltweit, vernetzt ist, spielen wir in diesem Herbst noch in vier weiteren Städten. Jeweils wieder an drei Abenden, da ja nur 300-400 Zuschauer hineinpassen.
BODYSTYLER: Wie darf man sich einen solchen Abend vorstellen? Läuft das eigentlich immer mit dem gleichen Programm?
ALEXANDER VELJANOV: Es ist ja relativ dunkel und die Projektionen werden über ein Mischpult gestartet und live kontrolliert. Wir spielen zwar immer das gleiche Programm, aber mal schneller, mal langsamer, mal länger, mal kürzer und improvisieren auch zwischenzeitlich. Durch die Live-Steuerung kann direkt darauf eingegangen werden. Ein Abend mit Pause dauert ca. zweieinhalb Stunden.
BODYSTYLER: Wird es denn eine Fortsetzung geben?
ALEXANDER VELJANOV: Es gab die Anfrage, ob wir das noch einmal machen würden. Wahrscheinlich sogar schon im nächsten Jahr.
BODYSTYLER: Kommen wir zu Deinem Solo-Schaffen und da steht aktuell das Jubiläum Deines Debüt-Albums auf dem Plan. Es wird in einer limitierten silbernen Vinyl-Version wiederveröffentlicht, die schön an das ursprüngliche Artwork anknüpft. Zudem wird es von Dir verfasste Liner-Notes und unveröffentlichte, handsignierte Art-Prints dazu geben...
ALEXANDER VELJANOV: Genau genommen, ist "Secrets of the silver tongue" dieses Jahr schon 26 Jahre alt, aber durch Corona ist das alles nach hinten verschoben worden. Wir wollten keine CD machen, da das ja keiner mehr kauft. Die Tracks wurden natürlich dafür remastert.
BODYSTYLER: Hast Du eigentlich noch Kontakt zu den damals beteiligten Musikern, die Silvermen, Julian Beeston, Sven Regener, Christian Komorowski…?
ALEXANDER VELJANOV: Es gibt nur noch flüchtige Kontakte zu den meisten. Sven Regener sehe ich hin und wieder mal, Komo auch ein paar Mal in den letzten zwei/drei Jahren.
BODYSTYLER: Würde es Dich denn reizen, mit diesen Leuten mal wieder etwas zu machen?
ALEXANDER VELJANOV: Nein, eigentlich nicht. Ich hab ja nach den ersten beiden Alben relativ wenig solo gemacht und das letzte Album "Porta Macedonia" habe ich mit meinen Freunden und Kollegen direkt in Makedonien aufgenommen. Diese bilden ja auch den Kern der aktuellen Live-Band und stehen teilweise auch bei den Lakaien auf der Bühne.
BODYSTYLER: Da ich Dich solo nur zur "Sweet life" Tour (2001) gesehen habe, bin ich natürlich sehr auf die anstehenden Konzerte gespannt. Wie ist diese Idee entstanden?
ALEXANDER VELJANOV: Leute aus meinem Umfeld haben immer wieder gefragt, ob noch mal ein neues Veljanov-Album oder Auftritte kommen würden. "Porta Macedonia" haben wir live 2009-2011 präsentiert und danach gab es viel Lakaien. Dann fanden die Deine Lakaien/Veljanov/Helium Vola-Akustik-Konzerte statt und es gab einige Besetzungswechsel. Vor einem Jahr habe ich dann auf einem kleinen Indie-Festival in Torgau gespielt. Das hat anscheinend ein paar andere Veranstalter aufwachen lassen und es kam u.a. die Anfrage fürs WGT. Ich fand es dann sinnvoll, ein paar Warm Up-Gigs zu spielen, bevor man auf die riesige AGRA-Bühne stolpert (lacht). Leider mussten wir das alles wegen eines Todesfalls im Umfeld der Band absagen. Da für die Gigs in Berlin, Oberhausen und Nürnberg allerdings schon hunderte von Tickets verkauft waren, haben wir beschlossen, das Ganze zu verschieben. Daraus ist dann wiederum diese kleine Club-Tour mit sieben Konzerten entstanden.
BODYSTYLER: Was darf man von diesen Abenden erwarten?
ALEXANDER VELJANOV: Es wird einen Querschnitt aus allen drei Alben geben, vielleicht sogar ein paar neue Stücke und ein bisschen Lakaien.
BODYSTYLER: Hat denn vielleicht das Cover-Thema der letzten Lakaien-Alben ("Dual") seine Spuren hinterlassen? Wirst Du live auch Coverversionen spielen?
ALEXANDER VELJANOV: Es gibt ja bereits drei Coverversionen im Repertoire: "Das Lied vom einsamen Mädchen", "In my room" und "Black girl". Auf der Akustik-Tour habe ich zudem schon "I who have nothing" gespielt. Das Original stammt aus den 50ern und ist auf Italienisch. Bekannt wurde es durch die Version von Shirley Bassey und Tom Jones. Andere Cover wird es wahrscheinlich nicht geben.
BODYSTYLER: Du sprichst von neuen Stücken. Wie ist da der Stand? Wird es ein neues Album geben?
ALEXANDER VELJANOV: Die neuen Stücke sind in Arbeit. Es wird ja auch Zeit nach 16 Jahren ohne Veröffentlichung und ich hoffe, dass es schon nächstes Jahr so weit ist.
BODYSTYLER: Wie sieht es bei Deine Lakaien mit neuen Tracks aus?
ALEXANDER VELJANOV: Da gibt es erst mal nix. "Dual"/"Dual+" war mit seinen dreißig Songs so ein Hammer-Paket und Ernst (Horn) schreibt aktuell weiter an seiner Oper, die er seit vielen Jahren plant. Das ist sein Lebenstraum.
BODYSTYLER: Du hast vorhin angesichts der hiesigen Location davon gesprochen, dass Du hier mal mit Run Run Vanguard aufgetreten bist. Von diesem Projekt gibt es ein Studio-Album, das man im Original nur noch schwer und digital gar nicht findet. Gibt es diesbezüglich Pläne, das noch mal aufzulegen?
ALEXANDER VELJANOV: Das ist bereits seit Jahren Thema, da das einige Hardcore-Fans anscheinend interessiert. Ich finde es spannend, dass immer noch Leute danach fragen. Das kommt also vielleicht wirklich mal, mindestens digital, eventuell als Vinyl oder zusammen mit einigen raren Live-Aufnahmen. Mal schauen.
BODYSTYLER: Gibt es noch Kontakte zu Deinen damaligen Mitstreitern?
ALEXANDER VELJANOV: Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie keine Musik mehr machen. Bei Peter Boge, der mit mir das Herzstück der Band war, weiß ich, dass er Anästhesist geworden ist und in Norwegen lebt.
BODYSTYLER: Wenn man über Deine bzw. Eure Karriere nachdenkt stellt man fest, dass Ihr ein breites Spektrum an Veröffentlichungen, Klangstilistiken und Auftrittskonzepten abgedeckt habt. Gibt es irgendetwas – außer der Oper von Ernst – das Du/Ihr unbedingt mal ausprobieren wollt?
ALEXANDER VELJANOV: Keine Ahnung. Ich kenne viele Kollegen, die alles Mögliche probieren und auch der Öffentlichkeit anbieten. Schreiben. Malen, Tanzen, Singen, Schauspielern… Das Björk-Phänomen, ohne das wertend zu meinen. Ich würde mich zum Beispiel nie an einem Instrument versuchen. Da hätte ich mich neben einem Musiker wie Ernst Horn nur geschämt. Als Sänger bin ich vielleicht nicht ganz so durchschnittlich, aber auf einem anderen Gebiet hätte ich wahrscheinlich nie dieses Level erreicht.
BODYSTYLER: Ich möchte an dieser Stelle etwas ins Spiel bringen, was Du bis jetzt relativ selten gemacht hast, Dir aber meines Erachtens gut liegen würde, nämlich im Duett singen.
ALEXANDER VELJANOV: Stimmt, das ist auch so eine Idee, die seit Jahren schlummert. Ein Duett-Album mit Frauen könnte vielleicht spannend sein. Es gab da auch schon Kontaktaufnahmen, aber nichts Spruchreifes.
BODYSTYLER: Mich würde mal interessieren, womit Du Dir die Zeit vertreibst, wenn Du Dich nicht mit Musik beschäftigst?
ALEXANDER VELJANOV: Es ist sehr schön, dass die Musik mein Leben bestimmt und ich die Liebe zur Musik zu meinem Beruf machen konnte. Mir war aber immer wichtig, dass sie nicht mein ganzes Leben vereinnahmt. Deswegen gibt es auch viel Zurückgezogenheit in einem kleinen Kreis von Menschen, die mir wichtig sind. Mein größter Ausgleich ist das Kochen. Ich koche wahnsinnig gern für andere. Das ist für mich pure Entspannung.
BODYSTYLER: Gehst Du da nach Rezept oder kreierst Du auch eigene Sachen?
ALEXANDER VELJANOV: Rezepte eher nicht, ich improvisiere viel...
BODYSTYLER: Was ja auch etwas Künstlerisches hat...
ALEXANDER VELJANOV: Absolut. Ich koche gern nach Gefühl und lasse mich inspirieren. Wenn man mich fragt, wie ich etwas gemacht habe, weiß ich das oft gar nicht. Ich schreibe mir das auch nicht auf und mache es jedes Mal ein bisschen anders. Es gibt schon Basis-Elemente, aber ich vermische auch ganz gern meine fränkisch-mazedonische Herkunft. Es gibt übrigens eine wichtige Regel: Wenn man schlecht gelaunt oder in Eile ist, sollte man nicht kochen (lacht).
BODYSTYLER: Da ist was dran (lacht). Du lebst ja nun schon seit Mitte/Ende der 80er in Berlin. Welche Ecken magst Du besonders?
ALEXANDER VELJANOV: In den letzten Jahren habe ich diesbezüglich etwas aufgegeben. Berlin hat sich in eine Richtung entwickelt, die mir nicht so viel Spaß macht. Es ist viel zu überlaufen und es wird viel zu viel Tam-Tam um alles Mögliche gemacht. Mir tut es zum Beispiel in der Seele weh, wie sich der Prenzlauer Berg verändert hat bzw. eigentlich wurde er vergewaltigt. In Friedrichshain/Kreuzberg ist es ähnlich, obwohl sich auch einige Dinge zum Guten verändert haben. Es ist jedoch traurig, dass viele Leute ihren Kiez verloren haben, weil sie sich die Mieten nicht mehr leisten können. Mein Musikerkollege Goran (Trajkoski) meinte letztens, dass die ganze Welt glaubt, dass sie ihr Glück in Berlin findet. Damit hat er vollkommen recht. Die Stadt ist mittlerweile voll mit Menschen, die sich nicht für die Seele, die Historie dieser zerrissenen, gebeutelten und hässlich-schönen Stadt interessieren. Im schmuddeligen Neukölln wollte früher keiner leben, obwohl das Wohnen fast umsonst war. Heute ist es dort oft nur "fancy" und Du wirst in den Läden nur noch auf Englisch bedient. Ich bin ja auch nur zugezogener Wessi, habe aber die Wiedervereinigung mitgemacht. Mittlerweile bin ich nicht mehr so gern Berliner. Wenn man aus New York, Paris, London oder Skandinavien kommt, ist das der "place to be", weil hier alles noch billiger ist. Damit werden aber unter anderem den Leuten die Kreativzellen weggenommen. Finde mal einen Übungsraum in Berlin. Das kannst Du vergessen.
Das Positive ist, dass es hier wirklich viel Grün und Wasser gibt. Außerdem gibt es natürlich viele schöne Ecken und auch Museen. Die Museumsinsel ist schon toll.
BODYSTYLER: Meinst Du, es zieht Dich irgendwann mal woanders hin?
ALEXANDER VELJANOV: Ich bin ja schon jetzt viel unterwegs und verbringe viel Zeit in Franken und Makedonien.
BODYSTYLER: Zum Schluss möchte ich Dich gern nach deiner Meinung bezüglich der aktuellen Veröffentlichungspolitik von Singles und Alben befragen. Wie stehst Du zu der Tatsache, dass heute im Vorfeld eines Albums teilweise so viele Singles ausgekoppelt werden, dass man am Ende bereits mehr als die Hälfte der Tracks kennt?
ALEXANDER VELJANOV: Das verstehe ich auch nicht. Bei "Dual" hatten wir insgesamt drei Singles, was angesichts der zwanzig Albumtracks vertretbar war. Ich bin da eher old-school. Eine Single und dann das Album. Wir waren ja schon immer ein Album-Act. "Kasmodiah" ist sicherlich durch die "Return"-Single durch die Decke gegangen, aber das war doch die Ausnahme. Damals liefen wir im Mainstream VIVA, MTV, Bravo..., aber wir sind danach ganz bewusst in die selbstbestimmten Regionen zurückgekehrt. Es war uns wichtiger, dass die Alben angehört werden. Ernst hatte ja schon angesichts des Aufkommens der CDs gejammert, weil man da leichter skippen konnte als bei einer LP. Heute ist das im Streamingbereich noch viel schlimmer und die Hörgewohnheiten der jungen Menschen ganz anders. Es gab schon früher grauenhafte Vorgaben und Wünsche seitens der Plattenfirmen. Man sollte keine ungeraden Rhythmen haben und nicht zu lange Pausen. Ich kann mich an "The man with the silver gun", meine erste Solo-Single, erinnern. Da schrie die Plattenfirma, dass die Pause vor dem Gitarren-Solo im Radio Edit raus müsse (lacht). Heute muss ein Song sogar direkt mit der Hookline anfangen bzw. der Refrain spätestens nach dreißig Sekunden da sein. Dann sollen sie das doch gleich die KI oder die Wurschtfabrikanten, die unter zwanzig Pseudonymen schreiben, machen lassen. Dann sind wir wirklich am Boden. Man kann ja leider auch nicht mehr allein vom Musikmachen leben. Alle müssen auf Tour gehen. Früher machte man eine Tour, um ein Album zu verkaufen. Heute macht man ein Album, damit man touren kann. Die meisten Bands müssen sich dauernd überlegen, ob sie neben dem Cappy und dem T-Shirt noch einen Sweater, ein Armband und eine Gürteltasche anbieten, damit sie überhaupt etwas Geld verdienen. Ich finde das grausam.
Auf den Social Media-Kanälen waren und sind wir / bin ich ja wenig präsent. Ich finde es schlimm, wenn sich Künstler bei allem filmen und das posten, um den Fan-Kontakt herzustellen. Ein mysteriöser Künstler wie David Sylvian wäre doch heute undenkbar. Früher waren wir froh, wenn wir mal drei Sätze von jemandem wie ihm gehört oder gelesen haben.
BODYSTYLER: Da hast Du recht. In diesem Sinne bedanke ich mich bei Dir für diesen exklusiven Einblick in Deine Gedankenwelt und wünsche Dir viel Spaß bei den anstehenden Konzerten und viel Erfolg mit den nächsten Veröffentlichungen.
ALEXANDER VELJANOV: Danke, war schön jewesen (lacht)
Tour:
02.11.2024 – Dresden, Reithalle Strasse E
03.11.2024 – Wiesbaden, Schlachthof (Kesselhaus)
04.11.2024 – Nürnberg, Der Hirsch
06.11.2014 – Tübingen, Sudhaus Tübingen
07.11.2024 – Oberhausen, Kulttempel
08.11.2024 – Bielefeld, Movie
09.11.2024 – Berlin, Peter Edel