Janosch Moldau

Morgendliches Flokati-Fell und Omas mit Pudeln

17.11.2012 - Bei Janosch Moldau gibt es stets die volle Gefühlspackung und das neue Album "Lovestar" ist ein Hörgenuss zum Anschmiegen und Wohlfühlen geworden. Es sorgt gleichermaßen für ein verklärtes Lächeln wie für kleine Kullertränen und präsentiert Synth-Pop mit pathetischer, zart-opulenter, aber auch spiritueller Aura. Wir steigen in die Liebesrakete, die uns zum Liebesstern bringt. Von: Torsten Pape

Image Nicht oma-tauglich? (Foto: Stefanie Moeloth)

BODYSTYLER: Von der Soundästhetik besteht sicherlich eine Seelenverwandtschaft zum Schaffen von Depeche Mode, was Du auf spannende Weise mit dem Pathos eines Marc Almonds verbindest und zudem christliche Elemente untermischst, was in dieser Form recht einzigartig ist. Ist diese Kombination der Elemente Deiner Musik eher intuitiv aus dem Bauch heraus entstanden oder bist Du jemand, der sich über solche stilistischen Merkmale auch ganz bewusst Gedanken macht?
JANOSCH MOLDAU: Ich mache mir über stilistische Merkmale in der Musik generell keine Gedanken, vor allem nicht, wenn ich selbst Musik mache. Ich versuche einfach, meinem Bauchgefühl zu folgen. Für mich gibt es immer dieses Kriterium, ob mich die Musik, die ich gerade höre, oder selbst mache, bewegt und ob ein Song entsprechend und passend "transportiert" wird. Es ist eine Art Ritual mit ungewissem Ausgang - jedes Mal auf's Neue und das mit jedem einzelnen Song.

BODYSTYLER: Was ermöglicht es Dir, Dich so zerbrechlich und intim zu präsentieren, wie Du es mit Deinen Songs und speziell Deinen Auftritten tust? Man macht sich sicherlich sehr angreifbar, wenn man seine Gefühle derart offen und ganz allein nach außen trägt.
JANOSCH MOLDAU: Sicherlich, als Solo-Musiker ist man, wie du sagst, sowieso sehr angreifbar. Man kann sich nicht einfach hinter der Band verstecken und sagen, die anderen Musiker sind an allem Schuld. Wenn man besoffen ist, haftet man ganz alleine. Man muss eben auch "stoned" immer absolut top wie eine Maschine funktionieren. Die Musikindustrie ist die Pornobranche im Kulturbetrieb. Man kann sich einiges erlauben, aber das Ergebniss muss natürlich immer professionell bleiben, wie auch immer man 'professionell' definiert.

"Ich bin kein Mensch, der auf die Realität verbittert reagiert."

BODYSTYLER: In künstlerischer/modischer Hinsicht bist Du sicherlich eine Art Paradiesvogel. Gibt es in dieser Hinsicht eine klare Trennung zum Alltag oder erlebt man durch deine Musik recht repräsentativ den Menschen Janosch Moldau, wie er beim Bäcker seine Brötchen holt?
JANOSCH MOLDAU: Ich gehe morgens zum Bäcker und trage schwarz. Schwarze Jacke, schwarzer Schal, schwarze Hose, ein zerrissenes schwarzes Shirt, sowie einen schwarzen Wollpullover. Die Federn lass ich morgens weg. Geht einfach nicht. In Neu-Ulm regnet es andauernd oder es ist ekelig feucht und neblig kalt von der Donau. Zudem wären die grandligen Donau-Omas mit den Pudeln verwirrt, wenn ich jetzt auch noch mit so nem Flokati-Fell morgens rumlaufen würde.

BODYSTYLER: Im Vergleich zum Vorgänger "Motel Songs" fällt sofort auf, dass Deine Songs jetzt voluminöser ausgefallen sind und auch in Sachen Produktion das nächste Level erreicht wurde. Wie siehst Du in der Retrospektive den klangtechnischen Weg, den Du vom einen zum anderen Album zurückgelegt hast?
JANOSCH MOLDAU: Das freut mich. Ja, ich denke auch, dass "Lovestar" nicht nur anhand der Songs einen großen Schritt nach vorne gemacht hat. Es ist mir, wie du sagst, immer sehr wichtig, mich mit einem Album produktionstechnisch neu zu definieren. Auf meinem Debüt "Redeemer" habe ich versucht, unterkühlte "Laptop-Electronica" mit einer warmen Gospel-Botschaft zu verbinden. Bei "Motel Songs" habe ich meiner Meinung nach ziemlich verbissen auf meiner Gitarre herumgeklopft und auch jede erdenkliche "Gitarren- Tretmine" verwendet, um meine Sounds wieder zu zerstören. Darunter haben sicher einige Songs stark gelitten, andere wiederum sind dadurch mächtig geworden, wie z.B. "Not With The Son". Dennoch, "Motel Songs" war eine tolle Platte, und ich habe sie gerne produziert und eine tolle Tournee damit gespielt. Zu "Lovestar" kann ich lediglich sagen, dass es ein Pop-Album ist. Ich habe einfach versucht, Pop-Musik zu machen, d.h. ich habe mich diesmal sehr stark darum gekümmert, den Songs einen perfekten Anstrich zu verpassen. Das ist nicht immer einfach, wenn man so was alleine macht.

BODYSTYLER: Magst Du eventuell einen kleinen Einblick in den Entstehungsprozess Deiner Songs geben?
JANOSCH MOLDAU: Oh je, das ist eigentlich immer sehr fragil. Meistens spiele ich ein paar Akkorde auf meiner Gitarre oder auf dem Piano und fange dann irgendwann an zu singen. Das sind dann erstmal nur einzelne Textfragmente und je tiefer ich mich in die Akkorde, die ich gerade spiele, fallen lasse, umso mehr Textzeilen entstehen dann plötzlich. Wenn ich es zeitgleich schaffe, die richtigen Sounds an meinen Synthesizern und Samplern zu finden, entsteht ein ganzer Song mitsamt Gerüst. Eine ziemlich seltsame Angelegenheit. Ich kenne Musiker, die setzen sich mit einer Zeitung ins Café und schreiben einen rotzfrechen Songtext auf den Punkt, gehen dann zu ihren Bandkollegen in den Proberaum und nehmen einen Song inspiriert vom aktuellen Zeitgeschehen auf. Ich denke, es ist jedem klar, dass das nicht die Art und Weise ist, wie ich Musik mache. Ich bin kein Poet, der zuerst irgendwelche Gedichte verfasst und diese dann nachvertont. Ich warte darauf, dass Musik und Text vom Himmel fallen… Ich warte einfach auf diesen seltenen magischen Moment. Es ist sehr einsam, so Musik zu machen.

"Die Musikindustrie ist die Pornobranche im Kulturbetrieb."

BODYSTYLER: Deine Texte spiegeln Dich als sehr emotionalen und spirituellen Menschen. Wie bringst Du Deine Ideale in Einklang mit der Realität oder lassen sie sich in ausreichendem Maße in Deinem Leben umsetzen?
JANOSCH MOLDAU: Ich bin kein Mensch, der auf die Realität verbittert reagiert. Im Gegenteil, ich denke das früher längst nicht (!) alles besser war. Ich bin eher ein Optimist, was die Welt und das Leben heute generell anbelangt. Natürlich gibt es all diese unschönen Dinge, die eben dazugehören für uns Menschen. Ich finde auch nicht, dass meine Musik große Ideale und Wertvorstellungen vermittelt. Das wäre mir zu abgehoben und gleichzeitig auch zu billig. Ich stehe einfach für eine gewisse Art von Selbstreflexion mit meiner Musik. Es gibt eben immer noch eine weitere Ebene…

BODYSTYLER: Das Single-Format nimmt in Deiner Diskographie einen nicht unerheblichen Part ein. Welche Dinge spielen eine Rolle, um zu dem Entschluss zu gelangen, dass ein Song diese besondere Ehre erhält?
JANOSCH MOLDAU: Nun ja, die Sache mit den Singles war für mich, neben dem Reiz an alternativen Arrangements, ganz klar auch Kalkül. Es dürfte dir nicht entgangen sein, dass man meine Musik hierzulande nicht gerade immer üppig wahrgenommen hat. Die Singles haben mir geholfen, die ganze Sache aufzubauen; und wir konnten somit immer wieder auf's Neue die Radio-Sender und Online-Magazine bemustern. Ich denke auch, dass ich mir durch die Singles eine Fanbase aufbauen konnte, da es regelmäßig neue Veröffentlichung gab, auch mit beliebten B-Titeln wie "Sweetest Heart". Die Singles gibt es seit der aktuellen Doppel-Single "Lovestar + Into This Life" ab sofort nur noch digital. Diese Ära ist vorbei.

BODYSTYLER: Auf den aktuellen T-Shirts prangt der Spruch "Janosch Moldau loves me more than Jesus Christ does." Wie ist denn das (inhaltlich) möglich?
JANOSCH MOLDAU: La provocation!? C'est à peu près tout...

BODYSTYLER: Wie sieht Deine persönliche Traumstunde aus? Was ist Dein liebster / häufigster Tagtraum?
JANOSCH MOLDAU: Ich werde später mal ein paar Ziegen und Hühner haben, am liebsten im Ticino und vielleicht noch ein wenig Weinanbau für Privatkunden, Freunde und für den Privatbedarf. Ach ja, 'ne gute Espressomaschine aus Milano hab ich schon hier, die nehm' ich mit…