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Die Kammer "Season V - Maybe forgotten, maybe glorious"
Ich muss beichten. Bis dato kannte ich Die Kammer nur aus der Ferne. Ich wusste, dass sich darin klassische Instrumente sowie Akustik-Gitarren befinden und hatte einzig die schöne Coverversion von "Home" (Depeche Mode) gehört. Auf der letzten Veljanov-Tour kam es dann zur persönlichen Erweckung. Wie konnte ich nur diese grandiose Band, die hier im Vorprogramm mit Leichtigkeit die Sympathien der Anwesenden gewann, so sträflich vernachlässigt haben? Der Aufdruck "All your sins will be undone", welcher auf den Tour-Shirts prangte, ließ mich mutig werden und Kontakt aufnehmen. Nun sitze ich hier mit dem aktuellen Album und durchlebe die intensiven Momente des Konzertes noch einmal. Ich habe zudem gelernt, dass die "Season V" einen Wandel darstellt, da sie sich vom bisherigen Klangbild deutlich unterscheidet. Waren davor noch Gitarren, Violine, Cello, Tuba, Drehorgel oder Akkordeon am Start, besteht das aktuelle Instrumentarium u.a. aus Gitarren, Mandoline, Cello und Bass. Die wichtigste Veränderung ist jedoch der prominentere Einsatz der elektronischen Elemente. All das lässt das Gesamtbild düsterer, samtiger und homogener wirken.
Zunächst erklingt jedoch im Opener "My dearie, don‘t worry!" eine Spieluhr, die zusammen mit dunklen Saiten-Klängen, sich dynamisch steigernder Rhythmik sowie einem Wechselspiel zwischen friedlicher und beunruhigender Atmosphäre zum Albumtitel hinführen. So sieht ein gelungener und komplexer Einstieg aus. Danach nimmt das Werk mit dem schwungvollen "I‘ve given up to cry" Fahrt auf, welches sich mit der bei vielen Menschen anzutreffenden, abgestumpften Rezeption der alltäglichen Horrornachrichten beschäftigt. Sänger Marcus "Max" Testory fährt hier bereits sein ganzes Spektrum auf, was vom dunklen Timbre a la Leonard Cohen/Johnny Cash bis zur melod(ramat)ischen Rock-Intonation reicht. Wenn es dann auch noch zum Duett-Gesang mit dem zweiten Mastermind Matthias "Matze" Ambré kommt, kann man die Gänsehaut endgültig nicht mehr verhindern. Im weiteren Verlauf begegnet man dunklen Hits mit spannenden Themen/Titeln ("Ignoring my safeword", "Melancholy milkshake") und weiteren Highlights, die sich mit Vergänglichkeit, geistiger Leere, psychischen (Ausnahme-)Zuständen und einer dunkel-melancholischen Weltsicht auseinandersetzen. Trotz aller Ernsthaftigkeit ist das Ganze jedoch stets mit treffsicherem Sarkasmus sowie einem charmanten Augenzwinkern gewürzt. Dieser diabolischen Energie kann man sich einfach nicht entziehen, ob tanzend bei "Cold, cold comfort" /"Ago" oder schwelgend angesichts des wabernden "I‘ve lost my shadow". So folgt man dem lockenden Finger ("Under the black veil of eternity - Follow me down!") doch gern, wenn nicht gar willenlos. Ganz am Ende wartet mit "I am leaving now" /"I am leaving now (Epilogue)" noch ein Doppel-Pack der besonderen Art. Als wäre der emotionale Text nicht schon ergreifend genug, erklingt obendrein die auf kindlich ernsthafte Weise ergreifende Stimme von Sabine Bohlmann. Die Dame dürfte vielen durch ihre Auftritte als Schauspielerin oder Synchronsprecherin bekannt sein und wen dieser Text kalt lässt, der soll auf seinen abgestumpften Pfaden weiterziehen...
Ganz am Ende kehren wir alle wirklich nie mehr zurück, aber vorher die Eine oder der Andere bestimmt noch mehrmals zu diesem wunderbaren Album! (Torsten Pape)
Label Delicious Releases | VÖ 05.04.2024 | Homepage www.facebook.com/die.kammer.band/