BODYSTYLER: Welche Bedeutung hat für dich die Veröffentlichung deines Debütalbums? Wie viel Arbeit und Durchhaltevermögen ist notwendig, um so ein Ziel zu erreichen? Was willst du mit „Alles auf Anfang“ aussagen? Gibt es eine Botschaft, die du vermitteln möchtest?
KAISER FRANZ: Auch wenn diese Scheibe mein Debüt markiert, bedeutet mir dieses Album sehr viel, da ich mir mit dieser Platte ein persönliches Denkmal gesetzt habe. Ich ziehe eine persönliche Bilanz aus den vergangenen Jahren, die für mich, sowohl als Mensch, als auch als Künstler sehr prägend waren. Die Produktion von „Alles auf Anfang“ hat mir absolut alles abverlangt. Vom analogen Entstehungsprozess bis hin zur Veröffentlichung sind zwei Jahre vergangen, alles entstand inmitten der Covid-19-Pandemie. Als selbständiger Künstler trägt man die meiste Verantwortung! Nicht nur für seine Musik, sondern auch für seine Mitmusiker und die Produktion. In diesem Fall habe ich mit dem Produzenten Sebastian Niehoff alias ‘Sebel’ ein erstklassiges Studio-Team zusammengestellt, welches diesen zehn Tracks und damit auch mir und meiner Laufbahn die Krone aufsetzt. Meine Seele ist somit mit all ihren Licht- und Schattenseiten musikalisch verewigt worden. Während der Produktion wurde mir klar, dass „Alles auf Anfang“, trotz jeglicher musikalischer Individualität meiner Mitkomponisten, mein Baby ist. Es klingt vielleicht etwas autokratisch, aber wer sich als Künstler oder Band in ziellosen Diskussionen verirrt, der hat am Ende nichts dabei gewonnen. Dies bedeutet, dass ich trotz massiger Widerstände Rückgrat zeigen und somit mein Ding durchzuziehen musste.
BODYSTYLER: Wie oft musstest du im eigenen Leben schon resetten, also alles auf Anfang setzen?
KAISER FRANZ: Seit meiner Geburt trage ich einen Reset-Knopf in mir. Sowohl meine private, als auch künstlerische Laufbahn verliefen bisher nie mit einem geraden Weg zum Ziel, da sie immer mit Umwegen verbunden waren. Als hauptberuflicher Musiker mit körperlicher Beeinträchtigung weiß ich ganz elementar, wovon ich spreche! Ich habe von Geburt an eine Spastik in den Beinen und ließ mir die Folgeerscheinung in Form einer orthopädischen Korrektur operativ behandeln. Ich war gezwungen, komplett bei Null anzufangen, soll heißen, dass ich komplett neu laufen lernen musste. Das gesamte Prozedere beinhaltete drei Operationen, welche innerhalb von zwei Jahren durchgeführt wurden. Als ich nach der ersten Operation aus der Narkose aufwachte, war mein erster Gedanke: "Okay! Wenn schon bei Null, dann direkt „Alles auf Anfang“! Von dort beschloss ich hauptberuflich Musik zu machen und meinen eigenen Traum zum Leben zu erwecken. Seitdem sind einige Jahre ins Land gezogen, in denen ich immer wieder schmerzlich feststellen musste, wie viele soziale Tiefflieger mir das ‘Laufen beibringen wollten’, welche sich in Wahrheit selbst nicht mal die Schuhe zubinden konnten.
"Ich bin immer dann am kreativsten, wenn es mir schlecht geht."
BODYSTYLER: Im Titelsong ist zu vernehmen: »Macht euren Scheiß alleine, mein Herz schlägt nur für Rock ’n’ Roll.« Würdest du am liebsten irgendwann nur Musik machen wollen und dein bürgerliches Leben hinter dir lassen?
KAISER FRANZ: Diese Zeile ist kein Wunschdenken, sondern ein Faktum. Ich bin selbständiger Künstler und verbringe neben meiner Bühnenarbeit sehr viel Zeit am Schreibtisch, um auf bürokratischen Wegen meiner hauptamtlichen Tätigkeit als Künstler gerecht werden zu können. Wer jetzt als Laie glaubt, dass man als selbständiger Musiker 356 Tage im Jahr rund um die Uhr auf der Bühne steht, den muss ich an dieser Stelle leider enttäuschen. Selbständigkeit bedeutet leider auch selbst und ständig, auch wenn es manchmal schwierig ist, gerade aktuell in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit. Ich bin unendlich dankbar dafür, dass ich von Menschen umgeben bin, die tagtäglich mit emotionaler Stabilität an meiner Seite stehen. Nicht, weil sie meinen, dass ich ‘Kunst kann’, sondern weil sie an meine ‘Kunst’ glauben! Denn der Glaube kann bekanntlich Berge versetzen. Ich lebe und erlebe die meisten Tage des Jahres mit positiver Zuversicht.
BODYSTYLER: Wie ist die Zusammenarbeit mit dem Kinderchor zustande gekommen, der „Ordnung und Flucht singt“? Inwieweit passen ‘Ordnung und Zucht’ (so im Intro des Silberlings) eher nicht in ein Kinderleben?
KAISER FRANZ: Ich habe mir mithilfe des Recklinghäuser Kinderchors mit „Ordnung und Flucht“ einen Traum erfüllt. Als die Kompositionsskizze fertig war, schrien diese Zeilen nach einem Kinderchor. Daraufhin habe ich umgehend Kontakt zu der damaligen Chorleiterin Katharina Höhne gesucht, um von meinem Vorhaben zu berichten. Ich konnte sie sofort von der Idee begeistern, ihre Zöglinge mein Intro einsingen zu lassen. Der Kinderchor ist die einzige Live-Aufnahme und ganz nebenbei haben die Kinder eine echte Glanzleistung hingelegt. Ich habe, während sie gesungen haben, mehrfach eine Gänsehaut bekommen – solch eine Disziplin und Konzentration habe ich bei so jungen Menschen ehrlich gesagt noch nicht erlebt. Als sie anfingen, die Zeilen zu singen, stockte mir der Atem! Mir war schlagartig klar: Genau so soll das Intro klingen! Richtig erfasst, nach den heutigen pädagogischen Leitbildern passt das absolut gar nicht. Aber in einer leistungsorientierten Gesellschaft kann man sich dem leider nicht entziehen. Ordnung und Flucht ist ein Hinweis und darauf bezogen, dass die Kindheit die prägendste und zugleich die wertvollste Zeitspanne unseres Lebens ist. Als Kind ist es nicht das Ziel ‘Künstler zu werden’, sondern ein Künstler zu bleiben. Demnach sage ich ganz klar: Wer das Kind in sich bewahrt, der weiß die Zeit zu schätzen und behutsam mit ihr umzugehen.
BODYSTYLER: In welchem Sinne ist „Fünf Buchstaben“ eine Abrechnung mit jemandem? Was willst du im gleichen Titel mit dem Vers »Der Teufel bleibt mein Kumpel, Fehler in die Haut tätowiert« aussagen?
KAISER FRANZ: In erster Linie rechne ich mit den Menschen ab, die sich in meiner Gegenwart durchweg den Heiligenschein aufgesetzt haben. Sie wollten immer nur ‘mein Bestes’, sie hielten sich immer für ‘unfehlbar’ und sie waren am Ende immer das Opfer und der Schuldige war ich oder jemand anderes. Wer von sich selbst behauptet, von Erzengeln ein Leben lang gesalbt worden zu sein, der lügt und die Lüge ist eine Todsünde. Ich bekenne mich in „Fünf Buchstaben“ schuldig, auf solche Menschen hereingefallen zu sein. Ich habe den Teufel, wie jeder von uns, auf einer meiner Schultern sitzen. So wie jeder von uns mache auch ich Fehler, doch ich habe aus diesen gelernt und das darf jeder von uns. In der Pädagogik nennt man dies ‘Selbstreflexion’! Wer in der Lage ist, diese Selbstreflexion in positives Handeln zu verwandeln, der ist ebenfalls in der Lage „Alles auf Anfang“ zu setzen und der darf seinen Blick nach vorne richten.
BODYSTYLER: Welche Story steht hinter „Prinz aus Eis“? Was bedeutet dir der Song?
KAISER FRANZ: Ich habe in meiner Vergangenheit eine Frau kennenlernen müssen, die im Rahmen ihres schönen Scheins, in der Lage war, mich emotional zu instrumentalisieren. Ein Machtspiel par excellence. Das ging so weit, dass ich zum Ende unserer ‘Beziehung’ nicht mehr wusste, wer oder was ich bin. Zu diesem Zeitpunkt hätte ich für diesen Teufel alles getan. Dadurch habe ich schmerzerfüllt lernen dürfen, nicht jedem Menschen sofort mein Herz vor die Füße zu legen. „Prinz aus Eis“ ist eine lyrische Konsequenz dazu, sich selbst vor dem völligen Verfall des eigenen Ehrgefühls zu schützen.
BODYSTYLER: Was bedeutet dir persönlich Freiheit? In „Viva“ heißt es, »Viva La Liberta«. Im gleichen Lied singst du auch »Der Pöbel macht Yoga und nährt sich vegan«. Welche Meinung hast du zu Yoga und veganer Ernährung?
KAISER FRANZ: Freiheit ist in der Gegenwart ein dehnbarer Begriff. Für mich bedeutet Freiheit, den Schritt über den eigenen Tellerrand gehen zu dürfen, ohne dabei der Umwelt zu schaden. Aber auch das liegt im Radius der subjektiven Wahrnehmung und Empfindung. Ich habe erst einmal nur das Glück, dass ich als Künstler mein Leben frei in der Hand habe. Und das, ohne Angst haben zu müssen, im nächsten Augenblick sanktioniert zu werden. Ich habe zu Yoga und Veganismus eine ganz klare Meinung: leben und leben lassen! Und das im Einklang des kollektiven Friedens! „Viva“ skizziert lediglich die Tatsache, dass die Weltordnung seit mehreren Jahrhunderten auf Kosten der Anderen ausgelebt wird. Ich stelle daher lediglich die Frage, wie viel Verantwortung und wie viel Schuld trägt meine Generation. Ich glaube, dass wir als Spezies an der obersten Sprosse angekommen sind. Freiheit ist kostbar, aber wer zahlt am Ende die Rechnung?
"Seit meiner Geburt trage ich einen Reset-Knopf in mir."
BODYSTYLER: Wie fügst du Instrumente und Texte zusammen?
KAISER FRANZ: Ich sehe es als meine Aufgabe an, Emotionen so authentisch und bodenständig wie möglich zu vermitteln. Texte und Instrumente fungieren daher als Funkenflug an Emotionen. Daher entscheide ich bei dem Zusammenfügen der beiden Komponenten ganz intuitiv. Beginnt die Textzeile aus meinem Mundanfang auf Akkorden metrisch zu tanzen, dann fühlt es sich für mich auch richtig an. Ein gewisser Spirit muss mich packen, der Refrain muss mir im Ohr hängen bleiben. Wenn das passiert, dann beginnen meine lyrischen Geschichten an zu leben. Woher das kommt, kann ich ehrlich gesagt nicht in Worte kleiden. Die Einen sagen, es ist eine Gabe, ich hingegen sage, dass der Nagel in meinem Kopf tief genug sitzt, sodass er die richtigen Impulse auslöst und dadurch den Weg vom Ohr direkt ins Herz und Gedächtnis einer breiten Hörerschaft findet.
BODYSTYLER: Gibt es Situationen, in denen du besonders kreativ bist? Welche Ereignisse sind sozusagen bei dir vorherbestimmt, dass sie zu Lyrics deiner Songs verarbeitet werden? Was ist der Zweck davon, dass du Musik machst? Inwieweit willst du Dinge verarbeiten?
KAISER FRANZ: Ich bin immer dann am kreativsten, wenn es mir schlecht geht. Wie aus meinen Songs zu entnehmen ist, betrachte ich zwar viele Situationen mit einem Augenzwinkern, jedoch immer kritisch: Wie viel davon Kaiser und wie viel davon Franz ist, möge der geneigte Hörer für sich selbst entscheiden. Eins ist jedoch glasklar: Im Kern habe ich jeden Songtext auf emotionaler Ebene eins zu eins empfunden und wahrgenommen. Wenn man so will, sind diese realen Empfindungen gepaart mit realen Erlebnissen meine Grundbausteine. Der Kit, der jedes einzelne Werk zu einem konzeptionellen Gesamtwerk macht, ist meine Fähigkeit Sprache in Bilder und Bilder in Lyrik zu verwandeln. Das Wichtigste an meiner Arbeit bleibt dabei die Authentizität, um mit meinem Publikum auf Augenhöhe zu sein. Mein Publikum und ich möchten verstanden werden!
BODYSTYLER: Wie lebt es sich als selbsternannter Kaiser?
KAISER FRANZ: Es lebt sich als Franz ganz wunderbar, denn selbst gekrönte Oberhäupter gibt es aus dutzende Führungsetagen zuhauf und das weltweit. Meine Krone setzte ich im Dienste des Lebens auf. Ich habe in meinem Leben für jeden kleinen Schritt nach vorn kämpfen müssen, das ist noch heute so. Sich als Mensch über alles zu stellen, ist mir zuwider. Der Kaiser in mir verkörpert vielmehr eine Motivationshaltung denen gegenüber, die ebenfalls, wofür auch immer, hart kämpfen mussten und heute noch müssen. Mein Lebensmotto war immer: "Geh deinen Weg und lass sie reden." Ich bin ein Sprachrohr für all die Menschen, die einfach ihr Ding durchziehen wollen. Vielleicht konnte ich ebenso Menschen dazu bewegen, es mir gleichzutun: "Setz deinem Leben die Krone auf" und mach das Beste aus jedem einzelnen Moment. Im Gegensatz dazu entlarvt meine Haltung diejenigen, die sich durch Lug und Trug selbst zum Kaiser krönen möchten.
BODYSTYLER: Willst du zum Schluss noch etwas sagen?
KAISER FRANZ: Ich feiere mit meinem Debütalbum dieses Jahr mein 25-jähriges Bühnenjubiläum. Davon bin ich seit gut neun Jahren als hauptberuflicher Künstler Kaiser Franz auf kleinen bis mittelgroßen Bühnen dieses Landes unterwegs. Ich habe viel erlebt und bin bis hierhin so glücklich und dankbar diesen Weg gegangen zu sein. An dieser Stelle möchte ich meinen Musikerkollegen daher Folgendes an die Hand geben: Macht euer Ding, egal auf wie viel dekadente Gegenwehr ihr stoßen werdet. Eure Musik soll sich in erster Linie für euch gut anfühlen. Alles andere kommt, oder kommt eben nicht. Wichtig ist, dass ihr euch selbst treu bleibt, und dass ihr immer weitermacht, denn ihr alleine bestimmt die Töne in der Partitur eures Lebens.